Rathaus Köpenick

Die falschen Rabenvögel und der falsche Hauptmann

Meinen ersten Eindruck des Köpenicker Rathauses begleiteten recht unangenehme Umstände. Schon leicht verspätet auf dem Weg zu einer Wohnungsbesichtigung in der Tram 62 sitzend, stand die selbige plötzlich in Sichtweite des Rathauseinganges im Stau.
Eine ausgehungerte Müllkutsche verhinderte die Weiterfahrt für mehr als 10 Minuten. Jetzt hatte ich die Zeit, meine Umgebung zu betrachten und auf mich wirken zu lassen.
Ein grauer Mann in preußischer Uniform stand im Eingangsportal, es schien mir, als blickte er einladend auf die Ankommenden. Bei der Vorbeifahrt erkannte ich den Hauptmann von Köpenick, bzw. seine bronzenes Abbild des armenischen Künstlers Spartak Babajan.
Die freundliche Dame der Wohnungsgesellschaft zeigte nach einem telefonischen Gespräch Verständnis und wartete auf meine Ankunft. Ich bekam die Wohnung und wohne seither in diesem wunderschönen Köpenick, sonst wären diese Zeilen wohl nie geschrieben worden!
So hatte ich nun oft die Gelegenheit, das Rathaus Köpenick von innen und außen zu bestaunen.
Auch wenn ich der Meinung bin, dass ein Gebäude, welches in den Jahren 1901 - 1905 erbaut wurde, auch im Stil der Zeit entstehen sollte, so ist dieses damals neue, in Märkischer Neobacksteingotik enstandene Bauwerk, ein würdiger, schmucker Ersatz für das an gleicher Stelle stehende Vorgängergebäude.
Ein Rathaus, mit dem die zu dieser Zeit noch eigenständige Stadt Cöpenick (damalige Schreibweise von Köpenick) stilvoll repräsentieren konnte. Es wurde mehrmals zwischen 1927 und 1949 erweitert und steht seit 1982 unter Denkmalschutz. Mit seinen verspielten Details, dem sehr guten baulichen Zustand und seiner Lage in der romantischen Altstadt von Köpenick, ist das Rathaus eines der schönsten Berlins.
Sehr beliebt ist es bei Brautpaaren, die es gern als fotogenen Schauplatz des wichtigsten Tages in ihrem Leben nutzen. Der Trauungsraum mit seinen bunten Mosaikfenstern sorgt für den würdevollen Rahmen.
Zur Hauptstraße „Alt-Köpenick“ hin liegt der kulinarisch empfehlenswerte Rathauskeller, im Sommer mit seinen Tischen im Außenbereich, sowie der Nebeneingang zum Bürgeramt. Als ich vor kurzem einen Antrag für einen neuen Personalausweises stellte, lockte mich ein recht verführerischer Duft zur Kantine im ersten Stock. Leider war sie bereits geschlossen.
Für die Abholung des neuen Ausweises plane ich einen Besuch der Kantine ein.
Rathauskeller und Hofbereich des Rathauses werden regelmäßig zu kulturellen Veranstaltungen genutzt und bieten eine einzigartige Kulisse für Jazzkonzerte, aber auch für die Soul, Blues & Boogie Woogie-Szene.
Weltbekannt wurde das Köpenicker Rathaus, als der vorbestrafte arbeitslose Schuster Wilhelm Voigt, am 16. Oktober 1906 mittels einer angelegten Hauptmanns - Uniform und der Hilfe von zehn auf der Straße herbei kommandierten Soldaten, den Bürgermeister Georg Langerhans verhaftete und den Inhalt der Stadtkasse beschlagnahmte. Wilhelm Voigt ging als „Hauptmann von Köpenick“ in die Geschichte ein.
Eine kleine Austellung im Eingangsbereich erzählt vom Leben des Schusters Wilhelm Voigt. Gezeigt werden an Hand von Zeitungartikeln, Fotos, dem Tresorraum und der berühmten Uniform der Ablauf des „Verbrechens“ und seine Auswirkungen auf Gesellschaft und Kultur der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, der bald folgen sollte.
Besonders beliebt sind das Theaterstück von Carl Zuckmayer „Der Hauptmann von Köpenick“ und die darauf basierenden Verfilmungen. Am bekanntesten ist die Version von 1956 mit Heinz Rühmann (Regie Helmut Käutner). Mein persönlicher Favorit ist die fürs „Fernsehen“ erstellte Fassung von 1960, keiner spielte den Wilhelm Voigt so bewegend wie Rudolf Platte.
Seit 1996 wird der Besucher vor dem Haupteingang persönlich vom bronzenen Hauptmann per Handschlag begrüßt. Meines Wissen ist es das einzige Rathaus, in dem einem Kriminellen mit einer Skulptur und einer Ausstellung gedacht wird.
Ich nutze jedenfalls jede Gelegenheit, um das Rathaus weiter zu entdecken, ich finde immer wieder neue Details. Wem sind zum Beispiel die Rabenvögel aufgefallen, die es sich auf der Balkonbrüstung gemütlich gemacht haben?
Es brauchte schon eine Weile bis ich merkte, dass es sich auch bei ihnen um Nachbildungen handelt.

von R.L.

Wegbeschreibung
Adresse Alt - Köpenick 21
ÖPNV Tram 27, 61, 62, 63, 67, 68 Bus: 162, 164, 165